Angesichts der vollständigen Mittelstreichung durch den Kirchenkreis Wuppertal herrscht bei manchen Kurrendanern, ihren Familien und Freunden der Kurrende große Unsicherheit. Im Interview erläutert Tilman Klett, Geschäftsführer der Wuppertaler Kurrende, welche Auswirkungen die Mittelstreichung für die Arbeit der Kurrende hat und wie sich die Kurrende zukunftssicher aufstellen will.
Lieber Herr Klett, viele Freunde und Förderer der Kurrende sind überrascht und auch geschockt über den plötzlichen Rückzug des Kirchenkreises aus der Finanzierung der Kurrende. Wie kam es dazu?
Es hat alle Verantwortlichen kalt erwischt. Klar war, dass der Kirchenkreis Wuppertal an vielen Enden und Ecken sparen muss und dass auch die Kurrende irgendwann mit Kürzungen konfrontiert werden würde. Dass es nun ausgerechnet die Kurrende in vollem Umfang trifft, hat so niemand kommen sehen. Auch die kurze Frist, immerhin haben wir nun nur noch zwei Jahre Zeit, um neue regelmäßige Einnahmen zu entwickeln, ist schon ein bisschen brutal. Zu den verständlichen Konsolidierungsgründen kommt aber auch ein Strategiewechsel beim Kirchenkreis. Hochkarätige Kirchenmusik und musikalische Jugendarbeit möchte man nicht mehr als gemeindeübergreifende Verantwortung verstehen, insbesondere aus wirtschaftlichen Gründen, aber auch um sich Mittel freizuhalten, die in neue Projekte investiert werden sollen. Angesichts unserer sehr guten Nachwuchszahlen und den neuen musikalischen Höchstleistungen unter Lukas Baumann, kann ich – wie viele andere übrigens auch – diese radikale Entscheidung nicht nachvollziehen. Ein im Dialog gefundener Mittelweg wäre fairer gewesen.
Der öffentliche Aufschrei im Zusammenhang mit der Mittelstreichung war und ist groß. Was hat das bewirkt?
Zunächst einmal hat es uns unglaublich gerührt, diesen wahnsinnigen Rückhalt für unsere Arbeit zu spüren. Aus der Region, aber auch aus allen Ecken der Bundesrepublik haben uns Anrufe und Zuschriften erreicht, man zeigt große Solidarität. Wir haben gemerkt, dass die Kirchenmusik und jugendpädagogische Arbeit der Kurrende gebraucht wird, und das gibt uns Rückenwind. Viele Eltern haben uns berichtet, wie wichtig die Arbeit der Kurrende gerade nach Corona für ihre Kinder ist. Jetzt hoffe ich sehr, dass viele neue Menschen dem Förderkreis der Kurrende oder dem neu geschaffenen Patronat beitreten werden.
Was genau ist dieses Patronat, auch im Vergleich zum Förderkreis?
Den Förderkreis der Kurrende gibt es schon lange. Dort engagieren sich zahlreiche Förderer jährlich mit einer meist überschaubaren Summe. Die Mittel haben keine Zweckbindung, sondern fließen in die Ausbildungsarbeit und in den laufenden Betrieb der Einrichtung. Freundeskreismitglieder bekommen außerdem Vergünstigungen für Konzertkarten oder werden auch mal zu Sonderkonzerten eingeladen.
Das Patronat war eine Idee, die ich schon länger im Kopf hatte und eigentlich anlässlich des 100. Chorjubiläums in 2024 ins Leben rufen wollte. Es sollte ein Zusammenschluss von Mäzenaten werden, die hochkarätige Konzertprojekte, wie die Zusammenarbeit mit Profiorchestern oder Konzertreisen fördern möchten. Nun ist es aber anders gekommen – und wie ich finde, wird das Patronat seinem Namen jetzt erst richtig gut gerecht:
Allgemein sehe ich das Kulturgut Knabenchor in Deutschland in seiner Existenz gefährdet. Wegen des wirtschaftlichen Rückzugs des Kirchenkreises habe ich persönlich die große Sorge, dass eine vollständige wirtschaftliche Trennung auch langfristig zu einer inhaltlichen Neuausrichtung der Kurrende führen könnte. Eine Karikatur in der WZ hat dies ziemlich gruselig veranschaulicht: Die Kurrende singt Jürgen Drews oder Nena, statt geistliche Motetten von Mendelssohn, Bach oder Schütz. Eine solche Neuausrichtung bedeutete die Abkehr von unserem kulturellen Erbe, das leider nur noch wenige Knabenchöre so authentisch pflegen. Wir würden unwiderruflich an Relevanz verlieren. Nach meiner Ansicht gehören aber die Mitwirkungen in Gottesdiensten oder Motetten, das karitative Auftreten in Altenheimen und vieles mehr zum Markenkern der Kurrende. Unsere Aufgabe ist schwerpunktmäßig die geistliche Chormusik, und das muss sie bleiben! Um dieses Erbe langfristig zu sichern, braucht es eine direkt daran geknüpfte Finanzierungssäule. Dazu wurde das Patronat installiert, dem sich Einzelpersonen und Stiftungen, Vereine oder Kirchgemeinden anschließen können. Das Patronat ist also der Schutzschirm für das kulturelle Erbe und christlich-karitative Wirken der Wuppertaler Kurrende.
50.000 Euro sind viel Geld…
Es sind nicht nur 50.000 € im Jahr, die wir für unseren Betrieb benötigen. Insofern werben wir an vielen Stellen um Drittmittel. Da ist die Kommune, da sind Unternehmen und Stiftungen, die uns mittlerweile regelmäßig fördern. Wir sind sind hierfür unendlich dankbar. Aus aktuellem Anlass müssen wir diese Förderungen ausbauen, werden auch überregional um Mittelgeber werben.
Wenn sich 200 Menschen mit jährlich zusätzlich 250 € für die Kurrende engagieren, sind die 50.000 € schon wieder drin. Deshalb hoffe ich sehr, dass nun richtig viele Menschen in unseren Freundeskreis und in das Patronat eintreten. Großeltern, Tanten oder Cousins, Ehemalige und Musikliebhaber können hier mit einem überschaubaren Betrag viel bewegen. Im Freundeskreis reichen 60 € als jährlicher Mindestbeitrag, auch das hilft schon sehr.
Wird es denn trotzdem eine inhaltliche Entwicklung bei der Kurrende geben müssen?
Wir sind hier aus meiner Sicht auf einem sehr guten Weg. Es zählt, dass wir die exzellente musikalische Ausbildung mit einer umfassenden Investition in die Persönlichkeitsbildung unserer Jungs und Jugendlichen verbinden. Lukas Baumann und Caroline Huppert entwickeln mit den Knaben einen sehr guten Knabenchor-Klang – und wenn die Nachwuchsarbeit weiter so gut läuft, dann stehen wir in wenigen Jahren top aufgestellt da. Wir werden uns dann noch überregionaler orientieren, hochkarätige Konzertreisen unternehmen und eine regelmäßige Zusammenarbeit mit Profiorchestern verstetigen. Gleichzeitig werden wir in Wuppertal und im Umland unsere Traditionen und bodenständigen Aufgaben leidenschaftlich pflegen.
Ganz allgemein: Haben Sie Sorge um die Zukunft der Kurrende?
Wir müssen uns keine Sorgen machen, wenn wir uns jetzt auch alle gemeinsam für den Erhalt der Wuppertaler Kurrende einsetzen. Jeder wie er kann. Das diesjährige Kirchentagsmotto lautet „Jetzt ist die Zeit“. Jetzt ist die Zeit, in unseren Förderkreis einzutreten! Wenn das Team weiter so erfolgreich arbeitet und die Jungs, die Jugendlichen und ihre Familien weiterhin so großartig mitziehen, dann steht der Wuppertaler Kurrende die beste Zukunft bevor. Ich persönlich freue mich riesig auf die nächsten Monate und das Jubiläumsjahr 2024 mit seinen so zahlreichen Highlights.